Alljährlich bringen wir zum Beginn der wärmeren Jahreszeit an dieser Stelle einen detaillierten Bericht über die abgelaufene Influenzasaison. Heuer blieb diese jedoch erstmals seit dem Beginn der Influenzaüberwachung in Österreich in der Saison 1999/2000 vollständig aus. Ein Vergleich über die letzten beiden Jahrzehnte zeigt, dass es immer wieder Wintersaisonen gab, in denen nur eine geringe Influenzavirusaktivität beobachtet werden konnte. Ein Beispiel dafür ist die Saison 2013/14, in der aufgrund der geringen Influenzaviruszirkulation die Grippewelle nicht ausgerufen wurde, dennoch konnten damals über unser Influenza Überwachungsnetzwerk in insgesamt 415 Stichproben (Positivrate 15%) Influenzaviren nachgewiesen werden. Im Gegensatz dazu konnten während der starken Influenzasaison 2017/18 in über 2300 Sentinelproben (Positivrate 34%) Influenzaviren gefunden werden. Heuer hingegen wurde während der gesamten Wintersaison (beginnend mit KW 40/2020) nur eine einzige Sentinel-Probe positiv auf Influenzaviren getestet (Positivrate 0,02%), es handelte sich dabei um ein Influenza B Virus der Victoria Linie. Zusätzlich konnte in einer Routineprobe (Non-Sentinel-Probe) eines Reiserückkehrers ebenfalls ein Influenza B/Victoria Virus detektiert werden.
Das Ausbleiben der Influenzavirus Aktivität wurde jedoch nicht nur bei uns, sondern letztlich weltweit beobachtet. Auf europäischer Ebene beispielsweise wurden während der vorletzten Wintersaison 2019/20 im Rahmen der europäischen Influenzaüberwachung über 17.600 Proben positiv auf Influenzavirus getestet (Positivrate 34%), dagegen konnten in der heurigen Saison in nur 41 von über 41.000 untersuchten Proben Influenzaviren nachgewiesen werden (Positivrate 0,1%).
Die Gründe für das Ausbleiben der Influenzavirusaktivität sind vielfältig, aber letztlich alle auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus Pandemie zurückzuführen. Durch die internationalen Reisebeschränkungen wurde die Einschleppung der Influenzaviren nach Europa und damit auch nach Österreich auf ein Minimum reduziert. Zusätzlich wurde durch die geltenden Hygienemaßnahmen (Masken, Abstand, Händehygiene) neben der Verbreitung der SARS CoV 2 Viren auch eine lokale Ausbreitung der Influenzaviren effektiv gehemmt. Diese Maßnahmen waren jedoch nicht nur bei der Reduktion der SARS CoV 2- und Influenzaviruszirkulation wirksam, sondern hatten einen ebensolchen Effekt auch auf viele andere über Tröpfchen und Aerosole übertragbare respiratorische Virusinfektionen.
Wir konnten anhand der Daten des virologischen Überwachungssystems die Effekte des im März 2020 stattgefundenen Lockdowns sehr genau beobachten (Redlberger-Fritz et al, J Clin Virol. 2021 Apr;137:104795). Mit Beginn des Lockdowns kam es zu einem massiven Rückgang der damals gerade auslaufenden Influenzavirusaktivität sowie zu einem abrupten Ende der Zirkulation von humanen Metapneumoviren, Respiratorischen Synzytial Viren (RSV) und Rhinoviren. Die Rhinovirusaktivität stieg mit der Lockerung der Maskenpflicht im Sommer 2020 wieder leicht an und mit Schulbeginn im September 2020 konnte man einen weiteren sprunghaften Anstieg der Anzahl an Rhinovirusinfektionen beobachten.
Mit der zweiten und in weiterer Folge auch der dritten Pandemiewelle wurden alle Hygienemaßnahmen (Masken, Abstand, Händehygiene, Reisebeschränkungen) wiedereingeführt bzw. strikter eingehalten, wodurch während der gesamten Wintersaison 2020/21 nicht nur die Zirkulation der Influenzaviren ausblieb, sondern auch keine einzige Infektion mit RSV, humanen Metapneumoviren und Parainfluenzaviren nachgewiesen wurde.
Obwohl dies sehr gute Nachrichten sind, die zeigen, dass einfach einzuhaltende Maßnahmen wirksam eine Ausbreitung von respiratorischen Viren reduzieren können, so muss man bedenken, dass diese ausgebliebenen Virusaktivitäten auch bedingen, dass somit in der Bevölkerung keine natürliche Boosterung durch Viruskontakte stattgefunden hat. Es ist daher möglich, dass mit Wegfall der Hygienemaßnahmen eine wiedereinsetzende Virusaktivität mit einer starken epidemischen Welle einhergeht. Dies wird vermutlich für RSV zutreffen, denn die Erstinfektion erfolgt meist innerhalb des ersten Lebensjahres. Durch die ausgebliebene RSV Aktivität haben jedoch alle nach März 2020 geborenen Kinder keine Immunität gegen dieses Virus, zusammen mit den Neugeborenen der heurigen Geburtskohorte ergibt das eine große Anzahl an RSV naiven, vulnerablen Kindern. Damit sind für die kommende Saison sehr viele RSV Erstinfektionen zu erwarten. Ähnliches wird auch für der Influenza zutreffen. Die Erfahrungen zeigen, dass auf sehr schwache Grippewellen meist starke epidemische Aktivitäten folgen. Dadurch kommt auch in der kommenden Wintersaison der Influenzaschutzimpfung wieder eine große Bedeutung zu. Wie bereits letztes Jahr wird auch in der kommenden Saison die Influenzaschutzimpfung für Kinder von 6 Monaten bis 14 Jahren gratis im Rahmen des Kinderimpfprogramm zur Verfügung stehen.
grün = keine Influenza Virusaktivität in Österreich
gelb = vereinzelte Fälle von Influenza Virusinfektionen in Österreich
orange = wiederholte Fälle von Influenza Virusinfektionen in Österreich
rot = Grippewelle in Österreich
Die präsentierten wöchentlichen Zahlen entsprechen den am Zentrum für Virologie der Medizinischen Universität Wien diagnostizierten Influenza Virusinfektionen. Die untersuchten Proben stammen einerseits von wenigen ausgewählten niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten in allen Bundesländern (Sentinella System) sowie von hospitalisierten Patienten, vor allem im Raum Wien.
Zusätzlich werden noch von weiteren Meldelaboratorien die Anzahl an positiven Influenzavirusnachweisen an das Zentrum für Virologie gemeldet. Die folgende Grafik zeigt die Gesamtanzahl der am Zentrum für Virologie diagnostizierten Influenzavirusinfektionen gemeinsam mit den von den Meldelaboratorien zusätzlich gemeldeten Influenzavirusinfektionen:
Schätzung der Inzidenz an Influenza ähnlichen Erkrankungen (ILI „Influenza Like Illness“) in Österreich:
Die Schätzung der Anzahl an Erkrankungen durch Influenza-ähnliche Erkrankungen erfolgt durch die Referenzzentrale für Influenza-Epidemiologie AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH): https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/grippe/saison-202021/
Die AGES berechnet wöchentlich den Schätzwert der Inzidenz an ILI pro Kalenderwoche basierend auf den Daten der Grippe-Informationssysteme des Magistrats 15 der Stadt Wien (https://www.wien.gv.at/gesundheit/einrichtungen/grippemeldedienst/) und der Abt. 7 der Stadt Graz (https://www.graz.at/cms/beitrag/10017000/7747028/Grippe_Statistik_Erkrankungen_in_Graz.html) sowie des Grippe-Überwachungssystems aus dem Großraum Innsbruck.
Geschätzte Erkrankungszahlen an Influenza-ähnlichen Erkrankungen für den Großraum Wien und Graz erhoben durch die Grippe-Informationssysteme des Magistrats 15 der Stadt Wien und der Abt. 7 der Stadt Graz:
Meldungsarchiv
KW | Situation in Ö | Allgemeine Situation |
---|---|---|
45 | In der Saison 2020/2021 werden wir sie an dieser Stelle wieder regelmäßig über die aktuelle Influenza-Situation informieren. Derzeit ist in Österreich noch keine Influenzavirus Aktivität zu verzeichnen. | In Europa derzeit keine epidemische Influenzavirusaktivität. |
51 | Seit Kalenderwoche 45 werden alle eintreffenden Proben des Sentinelnetzwerkes auf Influenza und SARS-CoV-2 getestet. Bisher konnten in den eingesendeten Proben noch keine Influenzaviren nachgewiesen werden. Aufgrund der geltenden Hygienemaßnahmen wird auch die Zirkulation der Influenzaviren hintangehalten. Sobald die ersten Grippeviren in Österreich detektiert werden, werden Sie umgehend Informationen dazu an dieser Stelle finden. Wir wünschen allen Frohe Weihnachten und viel Gesundheit und Glück im Neuen Jahr!!! | In Europa derzeit keine epidemische Influenzavirusaktivität. |
3 | Seit Kalenderwoche 45 werden alle eintreffenden Proben des Sentinelnetzwerkes auf Influenza und SARS-CoV-2 getestet. Bisher konnten in den eingesendeten Proben noch keine Influenzaviren nachgewiesen werden. Aufgrund der geltenden Hygienemaßnahmen wird auch die Zirkulation der Influenzaviren hintangehalten. Letzte Woche konnte erstmals in einer eingesendeten Routineprobe (Nicht-Sentinel-Probe) ein Influenza B Virus der Victoria Linie (dem Impfstamm entsprechend) nachgewiesen werden. Dabei handelte es sich um eine importierte Infektion eines Reiserückkehrers. | Auch in Europa weiterhin keine Influenzavirusaktivität zu verzeichnen. |